Sonntag, 16. August 2015

Im Klassenzimmer: Lehrerpflichten und Berufsfrust

  • Ein älterer Text aus den Osterferien (ich vergas anscheinend ihn zu veröffentlichen)
Bereits in einem meiner letzten Posts ging es um Herrn XY - meinen Deutschlehrer.
Schon damals hatte er wenig Motivation mit uns richtigen Unterricht zu machen.
Zu meinem großen Bedauern hat sich das fortgesetzt. Wir sind jetzt in der Mitte des zweiten Halbjahres angelangt und er weigert sich noch immer strikt mit uns Texte zu schreiben.
Ich kann ihn einfach nicht verstehen. Es ist so unfair - niemand kann etwas dafür, dass er seinen Beruf hasst - das gibt ihm doch kein Recht das an uns auszulassen - wir wollen doch Leistung bringen - aber wenn er uns keine Chance dazu gibt, was sollen wir dann bloß machen?  

Am Tag des diesjährigen Deutschabiturs, sprachen die übrigen Deutschlehrer mit ihren Klassen über den Stoff, der sie bis zu ihrem eigenen Abitur noch erwarten würde und über den weiteren Verlauf der verbleibenden Schuljahre. Sie wollten sie motivieren und versicherten ihnen, dass das Abitur mit der richtigen Vorbereitung durchaus gut zu meistern sei.  

Was machte Herr XY? Er kam eine halbe Stunde zu spät - danach ließ er sich endlos darüber aus, wie langweilig er diesen ganzen Abiturszirkus inzwischen finde. Er habe in seiner Zeit als Lehrer schon so viele Deutsch Abis korrigiert, dass ihm das alles inzwischen auf die Nerven ginge.
Ich hätte schon wieder platzen können!!!! Nicht nur, dass wir mit dem Stoff im Vergleich zu den anderen Kursen meilenweit hinterher hinken - er lässt schon wieder eine ganze Unterrichtsstunde sausen. Wenn das ein Einzelfall wäre, von mir aus - aber jedes Mal, wenn er grad keinen Bock hat, labert er eine ganze Stunde lang solchen Scheiß an uns hin. 

Er verlor sich immer weiter in Selbstmitleid und erzählte uns, dass er schon am Tag seiner Verbeamtung ausgerechnet habe, wie viele Tage er, abzüglich Ferien und Wochenenden, noch bis zu seiner Pensionierung zu arbeiten hätte. (Da fühlt man sich als Schüler natürlich sofort gut aufgehoben und wertgeschätzt)
Dann ließ er uns ausrechnen, wie viele Abitur Klausuren er noch bis zu seiner Pensionierung zu korrigieren hätte, jammerte noch ein bisschen über die Zahl und verdünnisierte sich dann wieder.

 Die Deutschstunde die darauf folgte setzte dem ganzen noch die Krone auf.  

Er eröffnete uns, dass es sich um die letzte Stunde vor der Klassenarbeit handle. Dabei machte er sich noch gehörig über unsere geschockten Gesichter lustig. Er kam sich ja soooo toll dabei vor. Er machte daraus regelrecht eine Show  - wir wussten zu Anfang gar nicht was er von uns wollte - als uns dann endlich klar wurde, was er uns da sagte - freute er sich wie ein kleines Kind.
Wir waren alle total baff, da wir nicht das Gefühl hatten, seit der letzten Klausur etwas gelernt zu haben.  

Ich: "Herr XY - wir haben schon wieder keinen einzigen Text geschrieben. Wenn überhaupt, dann haben wir nur einen geschrieben - und den haben wir nicht besprochen. Wir fühlen uns einfach unsicher und nicht gut vorbereitet." 

Er: "Ihr könnt mir doch nicht erzählen, dass wir nichts gemacht haben. Ich habe euch ganz viele Stiltipps gegeben. Wir haben ganz viel mündlich interpretiert und wir haben darüber gesprochen, was einen guten Text ausmacht." 

Ich: "Ich will ja gar nicht ihren Unterricht kritisieren(doch eigentlich schon(hehe), er soll bloß denken, dass ich noch so etwas wie Respekt vor ihm hätte). Die Theorie die sie mit uns machen ist ja auch gut. Es nutzt nur die beste Theorie nicht, wenn wir nie üben können sie in die Praxis umzusetzen. Wenn wir die Theorie immer nur in den Klausuren in die Praxis umsetzen, werden wir einfach unsicher." 

Er: "Ja aber Leute - was habt ihr denn die letzten Jahre gemacht? Ihr solltet das alles doch schon können. Was ich verlange ist doch nicht mein persönliches Niveau - das ist vom Kultusministerium vorgegeben." 

Ich: "Herr XY - wir können doch nichts dafür, dass wir nicht angemessen vorbereitet wurden. Am Beispiel Erörterung: Die letzte die ich vor der Kursstufe geschrieben habe, war zwei Seiten lang - das war in der 9. Klasse. Jetzt verlange sie von uns 6-9 Seiten. Das ist ein Niveausprung bei dem wir so einfach nicht mitkommen. Sie müssen uns einfach die Chance geben Texte zu schreiben. Es tut ihnen doch nicht weh, wenn sie uns das als Hausaufgabe aufgeben und wir es dann im Unterricht besprechen. Dann könnten wir alle von unseren gegenseitigen Fehlern lernen." 

Er: "Nein - nein ich sehe das einfach nicht ein. Wieso sollte ich meine Lebenszeit damit verschwenden, euch Hausaufgaben aufzugeben, die ihr dann sowieso nicht macht." 

HALLO!!!! Geht´s noch? Erstens kostet es ihn doch keine Lebenszeit uns Hausaufgaben zu geben und zweitens: Wenn er uns noch nie was aufgegeben hat - woher will er das wissen? Wir wollen alle unser Abitur - wir wissen alle um was es geht - wir würden die Hausaufgaben schon machen.  

Eine Mitschülerin, die noch eine Frage bezüglich der Klassenarbeit hatte, hatte das Pech ein volle Ladung seiner seltsamen Laune abzubekommen. Er drängte sie unablässig in die Enge, in dem er ihr Fragen stellte, dehnen sie augenscheinlich nicht gewachsen war - nur mit dem Ziel, ihr klarzumachen, dass ihre Frage völlig idiotisch sei. Sie hatte nur wissen wollen, was man beim Zusammenfassen eines Textes beachten müsste.

Als er mit ihr fertig war, war sie völlig verstockt, verunsichert und den Tränen nahe.
Sie ist eigentlich super taff und cool - jetzt war sie kurz davor zu weinen. Ich war richtig geschockt. War ihm nicht aufgefallen was mit ihr los war? Hatte er das etwa mit Absicht gemacht?

Ich war sooooo sauer. Ich war selber kurz davor zu weinen. In der Stunde davor hatte ich besagten Streit mit meiner Direktorin gehabt - und jetzt hatte ich eine ganze Stunde dafür gekämpft endlich mal richtigen Deutschunterricht zu machen - ,mit dem Ergebnis, dass mein Deutschlehrer fast eine Mitschülerin zum Weinen gebracht hatte. 

Gegen Ende meinte er dann, dass seine Erwartungen an die Klasse bisher vielleicht zu hoch gewesen warn - er würde erwägen in Zukunft mehr Texte mit uns zu schreiben.
Halleluja!!! Und er braucht fas ein Schuljahr um festzustellen, dass seine Erwartungen zu hoch sind. Naja, wenigstens scheint er eingesehen zu haben, dass wir mit seiner Art zu unterrichten nicht weiterkommen.  

Nach dem die Stunde vorbei war, winkte er mich Beiseite:  

"Vivien, es ist nicht so, dass wir nicht üben würden - wir üben genug. Die Leistungsfähigkeit des Kurses ist einfach nicht besonders hoch. Ich habe mir die Noten der vergangenen Jahre angesehen - und ich muss sagen ich war entsetzt. Bei den Noten mach bestimmt keiner Hausaufgaben."
Ich war baff - jetzt hatte ich eine Erklärung für sein Verhalten. Er ist sauer, dass er den schlechtesten Deutschkurs hat und denkt, dass alle seine Anstrengungen, an so schlechte Schüler, ohnehin verschwendet wären.
Mir ist durchaus klar, dass mein Deutschkurs schwach ist - aber genau das sollte doch eine Motivation sein mit uns guten Unterricht zu machen. Die meisten von uns sind wirklich motiviert sich anzustrengen - würde er sich Mühe geben, könnte er aus den meisten von uns wirklich was rausholen.
Aber was macht er? Er jammert über verschwendete Lebenszeit, vergeudet seine Unterrichtsstunden mit Gejammer und lässt und ausrechnen wie viele Arbeiten er noch bis zu seiner Pensionierung korrigieren muss. 

Ich bin einfach so sauer!!!! Es ist so UNFAIR!!!!, dass er uns einfach so unser Abitur versauen darf. Nicht nur, dass ich einen Mathelehrer habe, der sich weigert vor dem Abitur den Stoff mir uns zu wiederholen, weil er das nicht zu seinen Aufgaben zählt(nein - Unterricht machen war ja noch nie die Aufgabe von Lehrern) - ich habe auch noch einen Deutschlehrer, der es für unter seiner Würde hält uns etwas beizubringen!!! - Ich will einfach nicht mehr - ich weiß nicht was ich machen soll - ich kann nämlich nichts tun.

Meine Mitschüler wollen sich, aus Angst vor seiner Reaktion, nicht bei unserer Rektorin über ihn beschweren - und ich bezweifle auch stark, dass das etwas bringen würde.
Nachdem ich mich so mit ihr gestritten habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie mir alleine zuhören würde. Außerdem hab ich Angst wie Herr XY reagiert - wenn er sauer wird uns seine Wut ans uns auslässt, hab ich auch noch Ärger mit meinen Mitschülern.
Ich habe gerade Osterferien - aber je näher das Ende der Ferien rückt, umso unruhiger und wütender werde ich. 
Ich hab ja versucht auszublenden was an meiner Schule alles schiefläuft, aber ich kann nicht. Es entspricht nicht meinem Charakter wegzuschauen - ich kann einfach nicht.

Mir ist bewusst, dass ich mir das Ganze nicht so zu Herzen nehmen sollte. Würde ich ihm weniger Bedeutung beimessen, würde es mich auch nicht so belasten. Meine Zukunft ist mir aber wichtig. Ich möchte ein gutes Abitur machen. Ich will doch nur die Chance mein Bestes zu geben. Wie aber soll das bitte möglich sein, wenn meine Lehrer ihr Bestes geben mir diese Chance zu nehmen.  

Okay - das war jetzt sehr ich-bezogen. Eigentlich will ich ja reflektiert und objektiv berichten - aber ich weiß einfach manchmal nicht wohin mit meinem Frust. 

Es wird sich nichts ändern.
Nicht solange ich noch auf der Schule bin und auch nicht so lange es meine Schwester noch ist.
Es wird nur immer mehr Reformen und Umstrukturierungen geben  - dieselben selbsternannten Experten werden ihre Meinung kundtun. Sie werden alle ja ach so genau wissen, was für uns Schüler das Beste sein soll.
Wir werden keine Fächer mehr lernen sondern sogenannte "Kompetenzen".
Und wenn dann ein paar mehr Schüler wegen Burn-Out in die Klapse müssen, wird es auch weiterhin keine Sau interessieren.
So wie es übrigens auch keinen interessiert, dass meine Schule in Baden-Württemberg, in den Statistiken des Kultusministeriums, wenn es um Burn Out und nervliche Zusammenbrüche der Schüler geht, ganz weit vorne mit dabei ist(hat uns eine Seelsorgerin erzählt, die wegen eines "Zwischenfalls" an unserer Schule war). Aber wen juckt das schon - so lange nur der Bildungsplan erfüllt wird und das Doppelstundensystem endlich steht. Dann ist der schöne Schein gewahrt und alle können zufrieden sein.  

Wenn man sich nur nicht mit unbequemen Problemen rumschlagen muss.