Samstag, 28. Februar 2015

Im Klassenzimmer: Lehrerpflichten


Vorneweg:

Ich besuche inzwischen die Kursstufe, keine Klassenverbände mehr. Unsere Deutschlehrer sind jetzt unserer Tutoren - sie sollen den Klassenlehrer ersetzten.  

Der folgende Monolog entstand aus der Diskussion heraus, ob ein Schüler das Recht hat, eine Klausur nachzuschreiben.
Unser Deutschlehrer hatte gerade verkündet, dass er nie jemanden nachschreiben lassen würde. Da wir in seinem Unterricht fast nie etwas aufschreiben und noch NIE einen Text geschrieben haben, wie wir in ihn den Arbeiten schreiben müssen, war ich verärgert. Wir bekommen außerhalb der Arbeiten keinerlei Rückmeldung zu unserem Schreibstiel und ich fand es unfair, dass er uns nur weil wir krank sind die einzige Verbesserungsmöglichkeit, die wir auf Grund seinen Unterrichts haben, verweigert.


Er reagierte ziemlich gemein und trotzig:  

Ich:

"Aber Herr XY. - wir schreiben ja im Unterricht nichts - die Arbeit ist die einzige Rückmeldung die wir kriegen. Was ist wenn jemand die Arbeit nachschreiben will?" 

Herr XY.:

"NEIN - Nein ich lass ihn nicht nachschreiben. Er hat sich ordnungsgemäß entschuldigt und es liegt im Ermessen des Lehrers ob er nachschreiben lässt - und ich sehe nicht ein, warum ich mir die Arbeit machen soll.
Eine neue Deutscharbeit zu kreieren kostet mich 5 Stunden und ich sehe es einfach nicht ein. Es wird sowieso viel zu viel Mehrarbeit von Lehrern verlang (...)
Handwerker verlangen auch 85€ die Stunde. Also sagen wir ich verlange 100€ pro Stunde, weil ich Akademiker bin, ja das gestehe ich mir zu. Ich bin einfach höher qualifiziert, ich habe studiert. Sagen wir ich mach einen Sonderpreis von 400€. Jan(der Schüler der die Arbeit verpasst hatte)* wenn du so viel Geld hast, dann mach ich dir die Arbeit sofort (...).
Es kann keiner was für Krankheit und ich sehe nicht ein warum ich mir die Arbeit machen soll"
Besonders der letzte Satz entzieht sich völlig meinem Verständnis. Ich kann nur vermuten, dass er meint, dass er nicht darunter leiden müsste wenn wir krank sind. ABER VEDAMMT -dass kann man doch auch umdrehen. Wir können doch auch nichts dafür wenn wir krankt sind. Er ist immerhin unser Tutor. Er sollte doch wollen, dass wir gut auf das Abitur vorbereitet sind. Gerade in einem Unterricht in dem wir nie Texte schreiben (HALLO - ES IST DEUTSCH) sind die Arbeiten die einzige Rückmeldung die wir kriegen.

Aber es geht noch weiter... 

Maria*:

"Und wenn irgendwann keiner mehr zu den Arbeiten kommt?"  

Herr XY:

"Das ist doch nicht mein Problem. Leuts, ihr wollt das Abitur machen. Ihr wollt den höchsten Bildungsabschluss den Deutschland zu bieten hat. Ihr müsst liefern, ihr müsst euch reinhängen. Ich habe mein Abitur schon, ihr wollt es noch. Ich sehe nicht ein, warum ich mir (...) noch die Arbeit machen soll. Ich verstehe auch nicht warum ihr jetzt solche Gesichter macht" - Wir waren alle völlig sprachlos. Ich für meinen Teil habe noch nie so direkt ins Gesicht gesagt bekommen, wie egal ich einem Lehrer bin. (Nicht dass es nicht genug subtilere Methoden gäbe, das Schüler spüren zu lassen) - "Ich versteh auch nicht warum ihr jetzt solche Gesichter macht und so still sein. Leuts, dass ist eure Bringschuld - ihr müsst liefern - nicht ich. Ich sehe das generell nicht ein, Lehrer sind genauso Akademiker wie Ärzte und Anwälte und trotzdem ist der Beruf des Lehrers der am wenigsten angesehenste in der Hierarchie der akademischen Berufe. Lehrer sind sowieso immer die dummen. Einerseits wird verlangt, dass die Pädagogen, Vorbilder und womöglich noch Erzieher sind und trotzdem sind sie immer die Faulen und die Dummen. Und dann heißt es wieder: `Du bist Pädagoge du musst das machen` NEIN - NEIN ich muss gar nichts. Der neue Bildungsplan der ab 2016 greift ist sowieso total auf Eigenverantwortung ausgelegt. Ihr seid diejenigen die liefern müssen, ihr sei diejenigen die hier etwas erreichen wollt." 

Ich will nicht zu viel dazu sagen, dass würde den Rahmen eines Post sprengen. Nur so viel: Eigenverantwortung schön und gut - aber so wie er redet, könnte man auch einen Baumsumpf auf Lehrerpult stellen und den unterrichten lassen.  
Es ist einfach grausam, Schülern so eiskalt zu vermitteln wie egal sie einem sind. Es frustriert mich und macht mich gleichzeitig traurig.  

Ich mag Herr XY nicht besonders. Das hat neben den obigen Aussagen noch eine Vielzahl von Gründen - trotzdem tut er mir leid. Er ist das typische Beispiel eines Lehrers der so frustriert und verbittert ist, das er einfach nur seine Stunden absitzt und hin und wieder seinen Frust an seinen Schülern auslässt.  

In einem meiner nächsten Posts werde ich sicher nochmal genauer auf seine Aussagen eingehen.
 

* Ich habe natürlich keine echten Namen verwendet. Der Post basiert auf dem Mitschrieb der Aussagen meines Lehrers aus einer Deutschstunde am 11.12.2014
 

Schüleralltag - und warum es diesen Blog gibt

Hallo Internet,

hallo all ihr potentiellen Leser, Fans, Hater, Suchende und Findende. 

Heute beginne ich meinen Blog über ein Thema zu dem ich überraschender Weise keine Blogs gefunden habe: Wer sich ein bisschen im Bloggerkosmos auskennt, weis, dass es nichts gibt, was es nicht gibt: Ausser Schulbloggs.
Es gibt ein paar bloggenden Lehrer; sie schreiben relativ erfolgreich, manchmal mit Witz, manchmal todernst über ihren Beruf und ihren Arbeitsalltag. Was es aber nicht gibt sind bloggende Schüler.
Eigentlich ist es nicht überraschend, dass wir unsere ohnehin beschränkte Freizeit nicht damit verbringen wollen uns noch zusätzlich mit Schule auseinander zu setzten. Sobald man das Nötigste an Hausaufgaben erledigt hat, ist man froh alle Gedanken an Lehrer, Klassenarbeiten und Abgabetermine für kurze Zeit hinter sich zu lassen. Trotzdem ist Schule omnipräsent. Wir schimpfen gemeinsam, wenn wir uns mit unseren Freunden treffen und beklagen uns bei unserem Umfeld über dies und jenes. So lange bis es keiner mehr hören kann.

Heute wird so viel wie noch nie über unser Schulsystem diskutiert: Experten, Eltern, Lehrer, Politiker und Psychologen streiten sich in den Medien pausenlos, was den jetzt das Beste für die Kleinen ist. Einzig die tatsächlich betroffenen werden nicht gefragt. Schüler kommen in dieser Diskussion der Erwachsenen fast gar nicht zu Wort; das Höchste der Gefühle sind passiv zitierte Zweizeiler, wenn das Gesagte dem Autor in den Kram passt.

Erwachsenen machen oft den Fehler Kinder zu unterschätzen, weil sie sich selbst für dermaßen qualifiziert und informiert halten, dass sie sich im Traum nicht vorstellen können, Kinder könnten objektiv und vernünftig Situationen bewerten und darüber berichten. Wir Schüler sind aber keine Kinder mehr. Auf Fünf-, Sechs-, oder Siebtklässler mag das ja noch zutreffen, aber ab der achten Klasse, können wir uns das gar nicht mehr leisten. Wir haben oft locker mehr als 30 Wochenstunden, bis zu vier Mal Nachmittagsunterricht und müssen dazu noch Hausaufgaben, Projekte, Vokabeltests und eventuelle Hobbies koordinieren - wir sind alles andere als kindisch.

Unser Schulsystem ist beängstigend kränklich. Um diese Krankheit zu bekämpfen brauchen wir eine ehrliche öffentliche Diskussion - und eigentlich ist diese schon vorhanden. Was ihr fehlt ist Ehrlichkeit - Fakten, Studien und Erlebnisse der tatsächlich betroffenen. Lehrer kommen schon zu Wort, weil sie erwachsen sind und ihnen eher zugehört wird. Damit eine öffentliche Debatte Früchte tragen kann, muss sie aber alle Seiten mit einbeziehen.

Dieser Blog ist ein Anfang – eine Plattform für Fakten und Systemfehler über die viel zu oft geschwiegen wird.

Ich kann nicht mehr schweigen, weil ich sonst platze, weil mich die Ohnmacht mit der wir Schüler alles hinnehmen müssen sonst auffrisst - und weil ich es nicht mehr hinnehmen kann wie auf unsere Kosten, gespart und experimentiert wird.


Unser Schulsystem verschleisst Menschen, Schüler wie Lehrer gleichermaßen – und ich hab verdammt noch mal die Nase voll nur untätig daneben zu stehen.