Sonntag, 15. März 2015

Psychischer Druck bei Fehltagen: ein Bericht

Ich will mich heute einem Thema widmen, über das ich schon lange schreiben wollte. Es betrifft mich zwar nur indirekt, ist aber eines der grundlegendsten Probleme an meiner Schule. Aber gerade deshalb wusste ich lange nicht wie ich es anpacken sollt.
Ich habe mich jetzt entschieden einfach mal so zu erzählen was passiert ist und wie ich mich dabei so fühle - jeder soll sich seine Meinung selbst dazu bilden.

Es geht um die Frage, wie mit Schüler umgegangen wird die oft krank sind. WICHTIG! Sie schwänzen nicht - sie sind KRANK!  

Wahrscheinlich am meisten betroffen sind meine Schwester und der kleine Bruder eines Mitschülers. Bei haben auffällig hohe Fehlzeiten, da sie einfach gesundheitliche Probleme haben. Meine Schwester ist sportbedingt oft verletzt, hat im Frühling Asthma und Pollenallergie und ist auch sonst recht häufig krank. Der Bruder meines Mitschülers hat chronische Migräne.
Sie sind beide gute bis sehr gute Schüler und holen das Verpasste  nach. Ihre Mütter schreiben die vorschriftsmäßigen Entschuldigungen und liefern, falls nötig, Atteste vom Arzt.


Eigentlich könnte alles in Ordnung sein. Leider haben die beiden das Pech, jeweils an Klassenlehrerinnen geraten zu sein, die für Schwäche scheinbar null Verständnis haben. Sie werden von einigen ihrer Lehrer systematisch unter Druck gesetzt und geradezu gemobbt:
Bei meiner Schwester hat alles letztes Jahr angefangen. Ihre Klassenlehrerin wurde immer gereizter und ungeduldiger, wenn meine Schwester krank war. Sie setzte sie unter Druck und sagte zu ihr, dass sie ihre Fehlzeiten in den Griff kriegen solle. Sie rief auch bei meiner Mutter an und sagte ihr, dass es nicht ginge, dass ein Kind so viel fehlen würde. Ich hatte dieselbe Lehrerin auch in Bio, und jedes Mal wenn meine Schwester krank war, wurde ich minutenlang ausgefragt, warum sie denn schon wieder fehlen würde.
Obwohl sie immer sachgemäß entschuldigt war, schien sie zu glauben sie würde schwänzen.


Meine Schwester und ich haben beide einen Schulweg von mindestens 45 Minuten und müssen mit Bus und Zug zur Schule fahren - im Winter kommt es daher schon mal vor, dass wir zu spät sind. Obwohl meine Schwester immer eine Bestätigung der DB dabei hatte, wurde ihre Klassenlehrerin immer aggressiverer, wenn unser Zug Verspätung hatte. Wir fahren um 6:44 mit dem Zug los. Sie wollte trotzdem, dass meine Schwester in Zukunft mit dem früheren Zug um 6:18 fährt. Als sie versuchte ihr zu erklären, dass das viel zu früh sei reagierte sie gereizt und ließ nicht mit sich reden. Letztendlich ist meine Mutter eingeschritten und hat der guten Frau erklärt, dass sie so etwas nicht verlangen kann.  

Am Ende des Schuljahres stand trotzdem folgender Satz im Zeugnis meiner Schwester: "Maria* muss lernen regelmäßiger die Schule zu besuchen"  

HALLO!!!! Ich verstehe ihr Problem nicht. Es hört sich an, als wäre meine Schwester eine notorische Schulschwänzerin - dabei hat sie keinen Tag unentschuldigt gefehlt. Sie hätten ja schreiben können, dass sie viel krank war – hat sie aber nicht. So ein Kommentar ist einfach eine Unverschämtheit.

Aber es geht noch weiter: 

Neues Schuljahr, neue Klassenlehrerin, gleiches Problem. Natürlich war ihre neue Klassenlehrerin von der Alten schon auf das "Problem" meiner Schwester hingewiesen worden - und natürlich wurden ihre Fehltage im neuen Schuljahr nicht weniger.
Frau B (ihre neue Klassenlehrerin) kam auf meine Schwester zu und riet ihr, von ihrem Amt als Klassensprecherin zurückzutreten, sollte sie ihre Krankheitstage nicht reduzieren - sie würde auch erwägen sie zum Amtsarzt zu schicken.
BEVOR sie eine 13 Jährige dermaßen unter Druck setzt hätte sie ja mal bei meinen Eltern anrufen können um sie zu fragen warum sie so viel krank ist.


Meine Schwester kam komplett verstört und den Tränen nahe nach Hause und fragte meine Mutter völlig verzweifelt war ein Amtsarzt sei und was sie jetzt um Himmels Willen machen solle.  

Meine Mutter war verständlicher Weise ziemlich sauer und rief noch am gleichen Abend bei Frau B. an.  

Sie: "Ich finde es eine Unverschämtheit das Kind so unter Druck zu setzten. Solche Angelegenheiten bespricht man zuerst mit den Eltern und nicht mit dem Kind. Maria ist nun mal auf Grund ihres Sports und ihrer vielen Allergien sehr anfällig für Krankheiten. Ich will kein krankes Kind zwingen in die Schule zu gehen und sich unnötig zu quälen, das kann doch auch nicht in ihrem Interesse sein. Sie hat doch einwandfreie Noten, sie holt nach was sie verpasst - ich als Mutter entscheide, wann es meinem Kind so schlecht geht, dass es zu Hause bleibt - ich lasse sie ja nicht schwänzen.“
Laut meiner Mutter hat Frau B. darauf so ungefähr folgendes geantwortet:
 

Sie würde es nicht zulassen, dass die Schüler in ihrer Klasse auf Grund von Marias Fehlzeiten glauben würden, dass man in ihrer Klasse mit so etwas durchkäme. Sie behielte es sich vor in Zukunft den Amtsarzt einzuschalten und sie wäre von ihrer Mutter auch immer in die Schule geschickt worden egal wie schlecht ihr gewesen wäre - sie sei auch nicht gestorben. 

Super Argumentation - sieht man ja was für ein netter und einfühlsamer Mensch bei der tollen Erziehung ihrer Mutter rausgekommen ist.
Jedes Mal, wenn ich solche Geschichten höre, frage ich mich, was das eigentlich für Menschen sind, die auf uns da unterrichten.


Als meine Mutter daraufhin einen Termin bei unserer Direktorin machte, stritt Frau B alles ab und heuchelte Überraschung über den Ärger meiner Mutter. Sie wolle ja nur das Beste und überhaupt könne sie nicht verstehen warum sich alle so aufregen. Das hat mich tatsächlich umgehauen. Ich mochte sie zwar noch nie, aber ich hielt sie zumindest für eine Person, die für Gesagtes gerade steht.
Sie stritt aber alles ab, behauptete sie habe das Wort "Amtsarzt" nie in den Mund genommen und hätte auch nie zu ihr gesagt, sie solle als Klassensprecher zurücktreten. Für meine Mutter gäbe es keinen Grund sich aufzuregen. 


Ich war schlichtweg baff. Was kann man noch groß dazu sagen - was für schwachen und abgründigen Persönlichkeiten werden wir Schüler ausgesetzt. Ich verstehe schlicht das Problem dieser Lehrerinnen nicht. Wir haben genug Schüler an unserer Schule die schwänzen, rauchen, kiffen und ihre Mitschüler aufs Übelste mobben. Wir haben Schüler die im Unterricht unter Tränen zusammenbrechen und eine entsetzlich hohe Zahl an Schülerinnen die unter Essstörungen leiden - das sind Probleme. Warum können Kinder nicht krank sein. Solange ihre Noten nicht darunter leiden, und sie den Stoff ohne großes Tamtam nachholen sollte es kein Problem geben. Alles in allem hat Frau B dann aber mehr oder weniger Ruhe gegeben. 

Allerdings - die Geschichte meiner Schwester ist ein Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem was mein Mitschüler und seine Familie durchmachen müssen. Sein kleiner Bruder leidet unter solch starker Migräne, dass es an vielen Tagen nicht mal das abgedunkelte Zimmer verlassen kann. Er ist zum Glück ziemlich intelligent und schreibt trotzdem sehr gute Noten. Sie haben das ganze Prozedere schon X-Mal durch. Seine Mutter war mit ihm beim Kinderarzt, beim Amtsarzt, bei einem Spezialisten für Kopfschmerzen - alle bestätigten, dass er nicht simuliert. Trotzdem gab die Klassenlehrerin keine Ruhe - sie poche darauf, dass der Junge häufiger die Schule besuchen solle. Alle Kinder der Familie wurden in eine Art "Sippenhaft" genommen. Bei keinem der 3 Geschwister reicht bei einem gewöhnlichen Fehltag eine normale Entschuldigung mehr aus - es wir sofort ein ärztliches Attest verlangt und immer gleich drei oder viermal nachgefragt.

 -Ich komm einfach nicht darauf klar, was diese sogenannten "Pädagogen" für ein Problem haben. Alle drei Kinder sind ausnehmend gute wenn nicht sogar hervorragende Schüler - sie sind noch nie negativ aufgefallen und engagieren sich in der Schulgemeinschaft als Umwelt- und Klassensprechen. WARUM dürfen sie dann nicht krank sein?????? 

Noch abartiger ist das direkte Verhalten dieser "Pädagogen":
Hans*, war trotz starker Kopfschmerzen in die Schule gekommen um die Mathearbeit nicht zu verpassen und anschließend von seiner Mutter wieder abgeholt worden. Als er das Klassenzimmer verlassen hatte, hatte die Klasse Englisch:


Frau E zur Klassse: "Also ich glaub das mit dem Hans ja nicht mehr. Der ist doch nicht wirklich krank - ich bin mir sicher der schwänzt. Ich finde das eine Frechheit! Was meint ihr dazu?"

Ach du grüne Neune! Die gute Frau hat ja wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank (mal ganz salopp). So etwas zu einer achten Klasse zu sagen. Jeder der nur ein bisschen Ahnung von Schüler hat, kann sich denken, dass Kinder in so einem Alter sehr sensibel auf solche Themen reagieren. Da wird jeder der öfters mal fehlt missgünstig beäugt und rutscht schneller in den Hass-Fokus der Klasse als er gucken kann.
Eine Lehrerin - eine erwachsene Frau - sollte sich bewusst sein, was sie mit solchen Aussagen anrichtet. Ich kann auch nicht nachvollziehen wie sie zu solchen Aussagen kommt. Wenn Haus- und Amtsarzt nebst Spezialisten eine chronische Migräne bestätigen - was will sie dann?
Einen mit Schmerzmitteln vollgepumpten Zombie? Einen Schüler der ihr vor Schmerz ins Klassenzimmer kotzt? Was um alles in der Welt hätte sie davon...
 

Was sind das für Menschen? Sie scheinen nicht einen Moment innezuhalten und darüber nachzudenken, was ihr Verhalten für Folgen hat. Nicht einen Moment scheint es ihnen um das Wohlergehen der Schüler zu gehen - sie haben eigene, egoistische Gründe. Sie scheinen Angst zu haben, dass in ihrer Klasse jemand aus der Reihe tanzt - oder sie können es nicht ertragen, dass Schüler gute Noten schreiben, obwohl sie ihrer Unterricht verpassen.

 

Je länger ich über solche Sachen nachdenke umso wütender machen sie mich. Es ist so unfair, das unser Abitur und unsere Zukunft von der bloßen Willkür eines Menschen abhängt, der sich einen Scheiß für uns interessiert und ungefähr so viel Menschenkenntnis hat wie ein Backstein. 

Auch in meiner Stufe kommt und kam es vor, das Schüler wegen Fehltagen unter Druck gesetzt werden - wenn auch nicht in diesem extremen Rahmen. Ich meine damit auch EXPLIZIT und ganz zweifellos krankheitsbedingtes Fehlen - Schwänzen ist etwas anderes (wird aber erstaunlicher weise mehr oder weniger geduldet, wenn man es nicht übertreibt)
Zumindest an meiner Schule ist das Schüler - Lehrer Verhältnis von einer unseligen, einseitig ausgenutzten Abhängigkeit geprägt. Darauf noch weiter einzugehen würde den Rahmen dieses ohnehin sehr langen Posts sprengen - das werde ich in meinem nächsten tun.  

Was ich hier deutlich machen will, sind die Probleme dehnen wir Schüler tagtäglich begegnen. Ich wünsche mir sehr, dass wir irgendwann an einen Punkt kommen wo Schüler ernst genug genommen werden, um sie tatsächlich nach ihrer Meinung und ihrer Lage zu fragen.

*Ich verwende natürlich nicht die echten Namen. Alles was ich geschrieben habe beruht auf Gesprächen die ich mit betroffenen Personen geführt habe.

 

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